Kennt Ihr diese goodnews-Artikel von Utopia oder anderen Portalen, die uns happy stimmen sollen, weil heute ENDLICH die Meeresreinigung des niederländischen Studenten begonnen hat? Oder diese Grafiken, die zeigen, dass immer mehr Städte mehr Geld in Umweltschutz investieren? Ich musste daran diese Woche wieder denken als ich beim Einkaufen berieselt wurde, dass der Supermarkt schon seit 1992 FairTrade-Kaffee vertreibt und damit zu den Vorreitern der FairTrade-Bewegung zählt. Wow. Na dann ist ja alles in Ordnung!
Vor Kurzem gab es einen Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung von Christiana Figueres. Sie ist stellvertretende Vorsitzende des globalen Städteverbunds "Global Covenant for Climate and Energy" und ehemalige Generalsekretärin des Sekretariats der Klimarahmenkonvention der UN. Sie zeigte sich darin sehr optimistisch, dass wir das mit dem Klimaschutz noch rechtzeitig schaffen werden, denn besonders die Entwicklungen in Städten zeige, dass man dort verstanden habe.
Sie kam dabei auch auf meine Heimatstadt München zu sprechen, in der ich selbst auch ehrenamtlich Politik mache. Sie schreibt: „Um zu sehen, wie das funktioniert, brauchen wir nur nach München zu schauen. Während Deutschlands Energiewende darauf abzielt, bis zum Jahr 2050 mindestens 80 Prozent des Stroms durch erneuerbare Energien zu decken, ist München bereits einen Schritt weiter. Die bayerische Landeshauptstadt will bis 2025 in ihren eigenen Anlagen genug Ökostrom produzieren, um 100 Prozent des Strombedarfs der gesamten Stadt zu decken und damit als erste Stadt der Welt mit mehr als einer Million Einwohnern vollständig auf erneuerbare Energie zu setzen. […] Lokale Maßnahmen in München und vielen anderen Städten im ganzen Land tragen dazu bei, nationale Ziele zu erreichen oder sogar zu übertreffen. Solche Anstrengungen sind auf allen Ebenen notwendig, um die Pariser Ziele zu erreichen und die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. […] Die Welt ist also auf einem gutem Weg, den Emissionstrend bis zum Jahr 2020 umzukehren. Städte gehen auf diesem Weg im Namen ihrer Bürger voran. Bessere Zukunftsperspektiven für Städte bedeutet eine bessere Zukunft für uns alle, die wir uns die kostbare Atmosphäre dieses Planeten teilen.“
Bei so viel Optimismus - oder sollte ich eher sagen: Selbstbetrug - kann ich nur kotzen. Denn in der Tat wurden sich in München diese Ziele gesteckt. Auf dem Papier! Leider fehlt es an der Umsetzung.
Ich möchte hier nicht so sehr in der Münchner Kommunalpolitik verharren. Ich möchte dies beispielhaft aufgreifen, um zu zeigen, dass wir gerne die Umweltproblematik so scheiße positiv darstellen und doch alle schon auf einem ganz ganz tollen Weg sind. Das sind wir aber nicht! Und dass jemand in einer so verantwortungsvollen Position wie Frau Figueres in dieses seichte Wohlfühlgequatsche einsteigt, das verärgert mich nicht nur, das ist verantwortungslos. Sie müsste einer Stadt wie München eher den Kopf waschen anstatt Lobhudeleien in der SZ zu verteilen.
Wer sich bspw. in der dargestellten Thematik nicht auskennt, bei dem muss nach den Worten von Frau Figueres zwangsläufig der Eindruck entstehen, es sei doch alles in Butter. Warum sollte ich mich dann als Bürger*in noch in der Verantwortung fühlen oder gar meine Wahlentscheidung nach Umweltaspekten abwägen?
Parteien sind in einer Zwickmühle: Wer die Zukunft schwarz malt und so gut gelaunt wie ein Ralf Stegner auftritt, hat nicht mit der allergrößten Zustimmung zu rechnen. Und genau diese Zustimmung benötigen die Parteien ja, um in Regierungsverantwortung zu kommen und entsprechende Projekte anzuschieben.
Aber wir als Zivilgesellschaft, Unternehmen, NGOs und Privatpersonen, wir müssen uns einmischen, klar benennen, was ist. Mit feelgood-Statements leisten wir einen Beitrag zum Selbstbetrug. Keine Angst, ich möchte nicht, dass wir alle ein Gesicht wie Ralf Stegner ziehen. Wir dürfen auch Schritte in die richtige Richtung anerkennen und loben. Wir sollten uns auch unbedingt als wirkmächtig begreifen und immer dafür werben, dass sich Engagement lohnt und wir mitgestalten können. Aber wir müssen auch auf politische Maßnahmen pochen und dürfen nicht meinen, die Politik ginge uns nichts an. Und dafür müssen wir dringend eine #Lobby4good werden.
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