Seit November berichten im Netz unter dem #unten Menschen von Erlebnissen und Gefühlen im Zusammenhang mit ihrem Leben in Armut oder Hatz IV.
In den vergangenen Wochen habe ich häufiger in verschiedenen Kontexten über ein Thema Gespräche geführt, das auch unter dem #unten immer wieder auftaucht. Und das definitiv zu diesem Themenkomplex dazugehört.
Immer noch studieren v.a. Kinder aus Akademikerfamilien. Auch im Zusammenhang mit einem beruflichen Projekt, das ich derzeit betreuen darf, finde ich es hoch spannend, dass es schon unglaublich viel ausmacht, wenn die sogenannten Arbeiterkinder überhaupt auf die Idee gebracht werden, dass sie einen anderen Weg als ihre Eltern gehen könnten. Dass es einen Unterschied macht, wenn ihnen überhaupt zugetraut wird, ein Studium zu meistern. Zusätzlich braucht es dann natürlich auch ganz konkret die finanzielle Unterstützung. Aber die allererste Hürde ist zunächst im Kopf und setzt noch vor der Frage nach der Finanzierung ein.
Szenenwechsel. Als ich von dem Projekt Arbeiterkind.de und der Thematik erzähle, antwortet mir mein Gegenüber: "Aber es studieren ja eh zu viele Menschen, wir brauchen auch Leute in den Ausbildungsberufen." Ja, das stimmt. Aber warum müssen diese Wege so vorgegeben sein? Im Gespräch stellt sich heraus, dass ihm am Gymnasium niemand etwas zu Ausbildungsberufen erzählt hatte. In seinem Studium ist er unglücklich. Gerne hätte er sich mal als Schreiner versucht. Körperliche Arbeit macht ihm Spaß, von Holz ist er begeistert.
Ich denke an meine eigene Zeit zurück. Ja, es war irgendwie "klar", dass ich auf's Gymnasium gehen würde. Nach dem Abi entschied ich mich dann zuerst für eine Ausbildung zur Hotelfachfrau. Dafür erntete ich viel Unverständnis, was ich zunächst nicht verstand. Ich werde nie vergessen, wie sich ein ehemaliger Lehrer, den ich während meiner Zeit als Azubine zufällig traf, nach meinem Berufsweg erkundigte. Ich erzählte ihm, dass ich derzeit eine Ausbildung zur Hotelfachfrau absolvierte. Er lachte laut auf. "Machen Sie da auch Betten und putzen Klos?", fragte er völlig ungläubig. "Auch das ist ein Teil der Ausbildung, ja." Er kriegte sich gar nicht mehr ein und sagte mir sinngemäß, dass dies doch wirklich nicht meinem Niveau entsprechen würde.
Für wen ist Betten machen und Klos putzen denn das angemessene Niveau?
Ich finde es sehr erstaunlich, dass offenbar weder #oben noch #unten ihre vorgezeichneten Pfade verlassen sollen. Zu individuellem Glück führt das nicht automatisch. Für mich liegt in diesem mindset auch eine(!) Ursache für #oben und #unten: Die Bewertung, was "höherwertig" und "niedere Arbeit" ist. Das drückt sich in unserer Gesellschaft ganz simpel an der Bezahlung aus. Als ausgebildete Hotelfachfrau erhielt ich in München in meiner Festanstellung ein Gehalt, mit dem man in dieser Stadt als Single unterhalb der Armutsgrenze lebt (die Armuts-Risikoschwelle liegt in München bei 1.350 €, Stand 2017). Würde man Ausbildungsberufen diese gesellschaftliche Wertschätzung monetär zukommen lassen, ich bin mir sicher, dass die soziale Spaltung an dieser Stelle abnehmen würde.
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Klaus (Samstag, 13 März 2021 13:51)
Die Wertschätzung von Clo putzen sollte der Herr Mal überdenken. Macht daheim wohl seine Mama...