Ich habe meine Eltern mit meiner Minimalismus-Begeisterung angesteckt. An einem Wochenende sortierten wir vor Kurzem gemeinsam Bücher bei ihnen aus.
Es waren viele Lehrbücher, die meine Mutter im Zuge von Weiterbildungen durchgearbeitet hatte, diese erzielten noch ganz gute Preise auf den diversen Wiederverkaufsplattformen. Zwei Drittel aber des wirklich beeindruckenden Bücherregals schien nach den heutigen Kriterien keinen Marktwert mehr zu besitzen. Wie viel Zeit und Arbeit in diese Bücher geflossen waren, damit meine Eltern sie damals erwerben konnten! Das so geballt auf einem Haufen zu sehen und sich das vorzustellen, war eine echte Tragik und tat beinahe weh. Ihr werdet das selbst kennen, wie viel Geld manche (Fach-)Bücher kosten. Vollkommen zurecht auch, wenn sie gut aufbereitet jede Menge Wissen vermitteln. Das hat definitiv seinen Wert. Doch der Wert kann schnell verloren gehen, wenn neue Erkenntnisse das alte Wissen ablösen oder auch Klassiker vielleicht mittlerweile in modernen Ausgaben erschienen sind. Noch vor dem Wikipedia-Zeitalter hatten meine Eltern eine 24-bändige Brockhaus-Ausgabe gekauft. "Artikel nicht gefunden" hieß es dazu auf der Wiederverkaufsplattform nur. Bücher in einem top Zustand. 17 Jahre später vollkommen wertlos. Ich erinnere mich noch, dass diese 24 Bände damals richtig viel Geld gekostet haben.
Ein anderes Aha-Erlebnis war es, viele Bücher in der Hand gehabt zu haben, in denen es das Lesezeichen nur bis Seite 50 geschafft hatte. Viele angefangene Themen und Ideen, die keinen Platz im Alltag gefunden hatten.
Beide Punkte bestätigen mich darin, einerseits Second-hand zu kaufen und sich andererseits auf die zum jetzigen Zeitpunkt lebbaren Themen und Projekte zu konzentrieren. Werbung und anderes will uns zu immer mehr verführen. Um das zu ermöglichen müssen wir Zeit investieren, um das nötige Geld zu verdienen. Doch dann bleibt oft viel zu wenig Zeit, sich den Themen oder Dingen angemessen intensiv zu widmen.
Dieses Credo gilt für mich übertragen übrigens auch in der politischen Arbeit: Wir müssen Themen sehr tief durchdringen, um konstruktive Beiträge auf diesem Feld beisteuern zu können und echte Expert*innen und wertvolle Gesprächspartner*innen für die Politik zu werden. Das gelingt nur, wenn wir uns fokussieren, wenn wir uns nicht verzetteln. Das, was nicht lebbar, nicht umsetzbar in Anbetracht unserer Ressourcen ist, sollte in kleinere Häppchen aufgeteilt werden. Erst wenn wir ein Projekt abgeschlossen haben, sollten wir uns das nächste vornehmen. Oder es im Sinne von multi-purpose zusammendenken.
Wir sind leicht zu verführen, uns für sehr viel mehr Themen einzusetzen, als wir eigentlich handeln können. Schließlich ist alles wichtig, wir wollen doch die Welt retten. Kommt unseren Gegenspielern allerdings ziemlich gelegen, wenn wir uns verzetteln und auf keinem Gebiet wirklich etwas bewegen, sondern überall immer nur ein bisschen Aktionismus und Rumoren in der eigenen Bubble zu bieten haben, oder?
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