Welche Assoziationen weckt bei Dir der Begriff „Lobbyarbeit“? Immer wieder begegnen mir Vorurteile: korrupte Politiker, Großkonzerne, die mit Geld „die Politik“ kaufen. Ersetzen wir „Lobbyarbeit“ durch „Interessenvertretung“ wird schnell klar, dass dies ein alltäglicher Vorgang ist: Im Job setzen wir uns für ein höheres Gehalt ein, im Unternehmen machen wir uns für Job-sharing, flexiblere Arbeitszeitmodelle oder einen Betriebskindergarten stark und auch privat haben wir genaue Vorstellungen für die Abendgestaltung oder den nächsten Urlaub, die wir gerne realisieren wollen.
Lobbyarbeit ist nichts für Einzelkämpfer
Egal um welches Projekt es geht: Für eine erfolgreiche Realisierung benötigen wir in der Regel Mehrheiten - ob in der Familie, im Unternehmen, im Verein oder in der Gesellschaft. Mein Spezialgebiet ist zwar die politische Interessenvertretung. Damit Deine Organisation oder Dein Unternehmen aber eine laute Stimme in Politik und Gesellschaft sein kann, müsst Ihr als Organisation bzw. Unternehmen auch mit einer Stimme sprechen. Du musst also zuerst innerhalb Deiner eigenen Gruppe für eine bestimmte Position werben. Und das läuft bekanntermaßen nicht immer ganz konfliktfrei ab. In diesem Beitrag erhältst Du Tipps für die Lobbyarbeit in der eigenen Organisation.
Position beziehen
Wie auch in der Lobbyarbeit gegenüber der Politik, steht an erster Stelle, eine eigene Position formulieren zu können. Und das möglichst konkret. Untermauert mit tragfähigen Argumenten. Wenn Du Dich eindeutig positionierst, werden meist Gegenstimmen laut. Und - wie in der Politik - läuft das häufig unter dem Motto „Hauptsache dagegen“ ab, konstruktive Gegenvorschläge und -konzepte sind eher Mangelware. Hier sollte also ein Prozess in der eigenen Organisation entstehen, so dass auch die Skeptiker*innen zu einer eindeutigen Position kommen. Über die unterschiedlichen Ideen darf und soll es zu Diskussionen und Auseinandersetzungen kommen. Unter Umständen sollte dies von jemand Externen moderiert werden.
Schlüsselfiguren gewinnen
Je nachdem in welchem Gremium später final die Entscheidung getroffen wird (siehe nächster Punkt), solltest Du Dir klar machen, welche (stimmberechtigten!) Personen für Dich wichtig sind: Wer ist besonders beliebt oder kompetent, wem wird Vertrauen entgegengebracht? Wer gilt als besonders integer? Wer vertritt grundsätzlich eine Gegenmeinung? Du tust gut daran, diese Personen frühzeitig mit einzubinden und bestenfalls für Deine Ideen zu gewinnen. Nur so lässt sich nach und nach eine Mehrheit organisieren, die Du benötigst, damit Deine Organisation eine bestimmte Position einnimmt.
Es gibt dann natürlich auch noch Personen, die „eigentlich nichts zu melden haben“, also in dem entsprechenden Gremium gar nicht stimmberechtigt sind, und trotzdem relevant für Dich sind. Das können renommierte Journalist*innen, Blogger*innen, externe Expert*innen o.Ä. sein. Hier kann es lohnenswert sein, das Gespräch zu suchen und auszuloten, wie sie Deine Positionierung einschätzen und ob hier mit Unterstützung zu rechnen ist. Ein Blogbeitrag zur rechten Zeit oder eine Veranstaltung mit dieser Person zu Deinem Thema während der Entscheidungsfindung kann wertvolle Überzeugungsarbeit leisten. Oder Du findest so heraus, wer querschießen könnte und in dieser Zeit besser nicht zu Wort kommen sollte. Dann gibt es auch noch die Sorte der internen Querulanten. Das können Personen sein, die via Facebook gerne mal „provokante Thesen“ verbreiten, nicht in der Verantwortung (bspw. als Vorstand oder Geschäftsführer*in) stehen und es trotzdem auf jeden Fall besser wissen und sehr misstrauisch gegenüber denen „da oben“ sind. Manchmal müssen diese Personen auch mit eingebunden werden, da sie einem einen Strich durch die Rechnung machen können. Oft handelt es sich allerdings um eine laute Minderheit. Da solltest Du genau abwägen, wie viel Zeit und Energie Du ihnen widmen möchtest. Je nach Thema muss vielleicht eine ganze Community mitgenommen werden, in der Regel tut es ganz pragmatisch die demokratische Abstimmung und Entscheidung aber sehr viel eher.
Entscheidung herbeiführen
Je nachdem, welche Art von Organisation Deine Gruppe ist, existieren unter Umständen bereits formelle Regeln (z.B. eine Vereinssatzung), wie die Organisation zu Entscheidungen kommt. So wird beispielsweise auf einer Mitgliederversammlung final über eine Position abgestimmt. Manche Entscheidungen werden dagegen im Vorstand beschlossen. Im Unternehmen trifft eine Entscheidung der/die Geschäftsführer*in, eventuell in Abstimmung mit Investoren oder mit der federführenden Abteilung. Wie auch immer: Bei Euch existieren Regeln und nach diesen Regeln muss eine Entscheidung zustandekommen, mit der ggf. sich widersprechende Positionen geklärt werden.
Positionspapier erarbeiten
Als Letztes kann nun ein Positionspapier formuliert werden. So habt Ihr nicht nur Eure Einigung schriftlich festgehalten, auf das Ihr auch intern immer wieder verweisen könnt. Es dient Euch als „Vertrag“ und Sprachregelung. Wer eine andere Meinungen vertritt weicht ab von der Organisationslinie und vertritt damit lediglich seine persönliche Meinung. Zusätzlich hilft es bei der internen Kommunikation und Information an Mitglieder/Mitarbeiter*innen, so dass hier jede*r auf dem aktuellen Stand ist und das Wording bekannt ist.
Ihr habt so auch ein Dokument, das Euch zur systematischen Kommunikation nach Außen, an die Medien, die Politik und andere Stakeholder, dient. Übrigens ist dies auch elementar, um Transparenz zu gewährleisten. Nur so ist klar erkennbar, für was Ihr eigentlich steht und eintretet.
Fazit
Du siehst: Lobbyarbeit in der eigenen Organisation funktioniert nach den gleichen Prinzipien wie die Lobbyarbeit gegenüber der Politik. Vielleicht klingt Dir das alles zu viel nach Kalkül. Ich bin der festen Überzeugung, dass es dies für richtungsweisende Entscheidungen auch dringend braucht. Außerdem ist es auch immer von Vorteil, wenn man versteht, wie andere Organisationen so funktionieren. Vielleicht kann man da mal unterstützend oder querschießend als Externe*r eingreifen.
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