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5 Erfolgsverhinderer in der Lobbyarbeit

In der Beratung mit meinen Kunden kommen wir zwangsläufig immer wieder auf das politische Tagesgeschehen, welches sie aus den Nachrichten kennen, zu sprechen. Dabei stelle ich regelmäßig fest, dass viele bislang Lobbyarbeit mit Bauchentscheidungen betrieben haben, sich von Vorurteilen leiten lassen oder schlichtweg kein Wissensaufbau zu dem Thema stattgefunden hat. Daraus folgen dann natürlich unbegründete Bauchentscheidungen und/oder Vorurteile. Das kann im Sinne eines mindsets übrigens auch zum Erfolgsverhinderer werden. Hier folgen meine fünf "Klassiker", die ich immer wieder beobachte - und was man dagegen tun kann! Vielleicht fühlst Du Dich ja auch bei dem ein oder anderen "ertappt" :-)

Zielloser Aktionismus

"In ein paar Wochen ist ja auch die Wahl. Julia, sollten wir da nicht noch irgendetwas machen??" Irgendetwas klingt schon mal gar nicht gut. Diese Frage zeigt mir, dass man noch gar keine Vorstellung hat, wo man mit seiner politischen Arbeit eigentlich hin will. Welche Ideen und Maßnahmen willst Du in den politischen Prozess einspeisen? Ganz hart gesprochen: Sind diese Ideen schon so weit ausgereift, dass sie es wert sind, den politischen Gästen und dem Publikum einen Abend "zu stehlen"? Ist das ein konstruktiver Beitrag in der Debatte zu diesem Thema? Was genau möchtest Du erreichen? Warum lädst Du dann diesen oder jene Politiker*in zu Dir ein? Im Zusammenhang mit Wahlen begegnet mir das am häufigsten, aber auch im normalen daily business werden die ganze Zeit Veranstaltungen produziert. Und ich frage mich sehr oft: wofür eigentlich? Warum hat man die Leute herbestellt? Was ist das Ergebnis oder der Zweck dieser Veranstaltung? Warum hat man sich selbst so einen organisatorischen Aufwand und dem Publikum dieses Blabla angetan? Denn in nichts anderem kann das enden. Man hat es gut gemeint und sich viel Arbeit aufgeladen, raus kommen tut vor allem Aktionismus und Lärm. Das allerschlimmste dabei ist, dass das auch für das eh schon sehr unsexy Thema Politik alles andere als eine gute Werbung darstellt. Wenn man es ganz grundsätzlich betrachtet, vielleicht sogar demokratieschädigend sein kann, wenn das Publikum frustriert nach Hause geht, weil nichts als Floskeln ausgetauscht wurden.

 

Damit Du Deine eigenen Ressourcen und die Deiner Mitmenschen schonst, beantworte Dir am besten ehrlich die folgenden Fragen und entscheide auf dieser Basis, ob sich der Orga-Aufwand lohnt:

  • Welches Ziel verfolgst Du eigentlich mit Deiner politischen Arbeit? Möchtest Du für ein bestimmtes Thema sensibilisieren, das Deiner Meinung nach bislang zu kurz gekommen ist in der öffentlichen Wahrnehmung? Benötigst Du Informationen? Bist Du dabei Dir ein Netzwerk aufzubauen? Möchtest Du Deiner Community im Sinne eines Service die verschiedenen Standpunkte der Parteien darlegen?
  • Hast Du bereits eigene Ideen und Vorschläge zur Umsetzung oder Verbesserung von bestehenden Regularien?
  • Möchtest Du politische Aktivitäten für die eigene PR nutzen?
  • Zu welchen Akteuren ist für Dich auch langfristig der Kontakt interessant und hilfreich?
  • Hast Du auch nach der Veranstaltung Ressourcen für politische Arbeit oder bleibt das eine Eintagsfliege?
  • Gehen mit einer Veranstaltungen weitere Aktivitäten, im Sinne einer "Mini-Kampagne", einher oder ist dies eher ein Strohfeuer?

Hinausposaunen des politischen Standpunktes

Eng damit einher geht für mich, dass einmal formulierte "Positionierungen" gerne in der eigenen Bubble auf Veranstaltungen zum Besten gegeben oder in den Sozialen Medien gepostet werden à la "...das kann ja wohl nicht sein. Teile jetzt diesen Beitrag, wenn Du auch der Meinung bist, dass das Sterben im Mittelmeer endlich ein Ende haben muss". Das Statement und das Anliegen in allen Ehren. Und so etwas kann ja beinahe nicht oft genug gesagt werden. Aber ich hoffe, wir sind uns einig, dass dies keine Lobbyarbeit darstellt. Ich lese dann nämlich häufig so Sätze wie "wir setzen uns für eine humanitäre Asylpolitik ein", um bei den Beispiel zu bleiben. Was genau ist in diesem Kontext mit "einsetzen" gemeint? Ja, es ist super, wenn viele Menschen für diese Themen sensibilisiert werden. Und Du kannst Dich mit solchen Statements als Organisation klar positionieren. Auch gut. Aber Lobbyarbeit und damit ein "einsetzen" auf politischer Ebene, um die Rahmenbedingungen entsprechend zu gestalten - und so verstehe ich "einsetzen" - ist davon meilenweit entfernt. Dafür fehlt mir u.a. eine zielgerichtete Kommunikation. Wer von den politischen Entscheider*innen wird sich auf Deine Facebook-Seite verirren und sich von diesen Postings umstimmen lassen? Du musst dringend die Adressaten Deiner Forderungen ausfindig machen und direkt ansprechen, am besten im persönlichen Gespräch.

 

Finde also heraus:

Vernachlässigung der Beziehungspflege

Lobbyarbeit wird viel zu häufig als Einbahnstraße verstanden. Im Sinne von: Ich lade mal schnell meine Meinung und meinen Wunschzettel bei Ihnen ab. Dabei wird übersehen, dass wir es mit Menschen zu tun haben. Wir alle hatten doch bestimmt mal "Freunde", die sich besonders dann gerne bei uns gemeldet haben, wenn sie etwas von uns brauchten. Umgekehrt waren sie aber leider genau dann verhindert und hatten nichts zurückzugeben, wenn wir sie gebraucht hätten. Unschön. Auch Lobbyarbeit ist ein Nehmen und Geben. Bestimmt handhabst Du das auch so bereits in Deinem beruflichen Netzwerk. Dann solltest Du in der politischen Arbeit keine Ausnahme machen. Lobbying als Austausch und Dialog zu begreifen, bewahrt einen meines Erachtens auch davor, zu meinen, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Auch ich habe natürlich meine eigene politische Überzeugung und halte einen ganz bestimmten Weg für richtig. Und andere Wege für falsch. Mir ist dabei aber bewusst, dass dies durch meine Perspektive auf die Welt geprägt ist. Ich maße mir nicht an, meine Meinung als absolut anzusehen. Zumal vielleicht Mehrheiten für einen anderen Weg gestimmt haben. Ich darf das für falsch halten. Aber ich sollte mich nicht darüber erheben. Das ist für mich eine wichtige Einstellung. Nur so kann man offen bleiben. Vor allem in der Sache. Denn vielleicht hat mein Gegenüber Informationen, die mir neu sind. Perspektiven, die ich so noch nicht durchdacht habe. Ich muss diese niemals teilen oder übernehmen. Aber ich sollte dies als Bereicherung meiner eigenen Perspektive annehmen und stets auf die Sache bezogen neu überlegen, meine Argumente verfeinern, immer mehr Sichtweisen zu integrieren. Nur so kann ein Standpunkt auch mehrheitsfähig werden. Konkrete Tipps zur Beziehungspflege findest Du hier.

"Ist man bei kleinen Dingen nicht geduldig, bringt man die großen Vorhaben zum Scheitern" (Konfuzius)

Es gibt keinen größeren und wirkmächtigeren Hebel als den der Politik. Dort werden allgemeingültige Regeln für unsere Gesellschaft festgelegt. Die Rahmenbedingungen, die unser ganzes Leben beeinflussen. Nirgendwo sonst erzeugen Entscheidungen mehr "Reichweite" und haben Einfluss auf so viele Menschen. Wer echte Veränderung - und zwar im System, auf der Metaebene - bewirken will, der muss in der Politik mitmischen. Lobbyarbeit ist hierbei das Instrument, um die Interessen in das politische System einzuspeisen, damit diese Beachtung finden. Es ist doch nur logisch, dass Veränderungsprozesse auf dieser Ebene Zeit in Anspruch nehmen. Viel Zeit. Ich würde wirklich nicht von mir behaupten ein geduldiger Mensch zu sein. Aber für eine bessere Welt zu kämpfen, das schenkt mir immer wieder Motivation und den langen Atem, den es in der Politik braucht. In Anbetracht der großen Ziele, für die wir alle antreten, dürfen uns doch kleinere Irritationen nicht vom Weg abbringen und uns davon abhalten hartnäckig am Ball zu bleiben. Solltest Du einfach ganz objektiv derzeit keine Ressourcen besitzen, dann rate ich von frustrierendem Aktionismus ab. Vielleicht kannst Du als Bündnispartner einer guten Sache Nachdruck verleihen und mit Kontakten und Informationen weiterhelfen.

 

Sollten die Ressourcen vorhanden sein, kannst Du mit hiermit die Motivation aufrecht erhalten:

  • Wie viele Menschen können eines Tages von Deiner Arbeit profitieren? Was wird sich für diese Menschen verändern? Schreib Dir das auf und hänge es Dir an Deinen Arbeitsplatz oder arbeite mit einem Vision Board, also visualisiere Dir Deine zukünftigen Erfolge.
  • Ließ Dir Erfolgsstories durch: Frauenwahlrecht, Ehe für alle oder der Ausstieg aus der Atomenergie - das alles wurde stets erst nach jahrelangem, jahrzehntelangem, manchmal auch erst nach Jahrhunderten des Kampfes verwirklicht!
  • Ein Erfolgserlebnis schadet natürlich auch nicht. Vielleicht hast Du Dir auch einfach zu viel vorgenommen für den Anfang. Versuche kleinteiliger zu denken, beginne nicht gleich mit dem Lobbying für ein neues Gesetz auf EU-Ebene, sondern starte vor Ort in Deiner Kommune. So sammelst Du außerdem Erfahrung und Kontakte, die dann auch bei größeren Vorhaben hilfreich sind.

Unkenntnis um formelle Prozesse und Zeitpunkte

Sehr häufig erhalte ich Kundenanfragen, wenn unmittelbar eine politische Entscheidung bevorsteht und sie davon aus den Nachrichten erfahren haben. Leider ist zu diesem Zeitpunkt das "window of opportunity" in der Regel bereits geschlossen: Man kann nichts mehr tun. Um das zu verhindern ist ganz vordergründig ein Monitoring angebracht. Oder durch ein ungeahntes Ereignis, das plötzlich eintritt, öffnet sich das "window of opportunity", aber man ist nicht vorbereitet, d.h. nicht sprechfähig. In beiden Fällen zeigt sich aber vor allem eines: Lobbyarbeit ist bisher einfach kein Thema gewesen, man hat schlichtweg keine Ahnung davon. Das ist nicht weiter tragisch, man kann schließlich nicht allwissend sein. Solche Ereignisse würde ich aber unbedingt als Weckruf begreifen. Denn sonst rauscht bald die nächste verpasste Chance an einem vorbei.

 

Und das Gute ist, dass man in diesem Fall etwas sehr Konkretes tun kann:

Werde Erfolg-Ermöglicher*in!

Jetzt hast Du keine Ausreden mehr. An welchen Stellen ist systemische Veränderung für Deine Organisation wichtig? Pack den Stier bei den Hörnern - wir haben keine Zeit zu verlieren. Die Welt wartet auf Deinen Einsatz!


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